Seit Freitag heißt die Apffelstaedtstraße Henriette-Son-Straße. Mit dem neuen Straßennamen wird künftig eine Jüdin geehrt, die nach 1933 in Münster zwangsexmatrikuliert wurde – anstelle eines Zahnmediziners, der ein überzeugter Anhänger der Nationalsozialisten war. Von Martin Kalitschke Samstag, 29.05.2021, 10:00 Uhr Westfälische Nachrichten
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Martina Apffelstaedt kann sich noch gut an das Jahr 1979 erinnern. „Damals wurde in Münster beschlossen, dass eine Straße nach dem Cousin meines Großvaters benannt werden soll. Ich war fassungslos.“ Denn Namensgeber Max Apffelstaedt gilt nicht nur als einer der Wegbereiter der modernen Zahnmedizin – sondern auch als überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus. Was schon lange bekannt war, hatten Wissenschaftler im vergangenen Jahr im Rahmen des bundesweiten Forschungsprojekts „Zahnmedizin und Zahnärzte im Nationalsozialismus“ erneut bestätigt.MEHR ZUM THEMA
- Zahnmediziner mit NS-VergangenheitApffelstaedtstraße: SPD fordert Umbenennung
- Entscheidung im RatNeuer Name für die Apffelstaedtstraße
Nachdem unsere Zeitung darüber berichtet hatte, setzte sich Beate Kretzschmar ( SPD ), Mitglieder in der Bezirksvertretung (BV) West, an den Schreibtisch. „Ich schrieb noch am gleichen Tag einen Antrag, den Namen der Apffelstaedtstraße zu ändern.“WERBUNG
Martina Apffelstaedt ist erleichtert
Dem ersten Antrag folgte im Januar 2021 ein weiterer von SPD, Volt, Linken und Grünen. Mitte Mai wurde die Umbenennung im Hauptausschuss der Stadt Münster beschlossen. Seit Freitag heißt die Apffelstaedtstraße offiziell Henriette-Son-Straße. Im Beisein von Bezirksbürgermeister Jörg Nathaus, Vertretern von BV und Verwaltung sowie Martina Apffelstaedt wurden die neuen Schilder enthüllt.Sa., 15.02.2020 Nach Max Apffelstaedt ist bis heute eine Straße benannt„NS-Mitglied aus fester Überzeugung“ Münster – Max Apffelstaedt war einer der Wegbereiter der modernen Zahnmedizin. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, in Münster ist nach ihm sogar eine Straße benannt worden. Doch nun sind neue Details zu seiner NS-Vergangenheit bekannt geworden. Von Martin Kalitschke
„Ich bin erleichtert“, bekennt die Nachfahrin des Zahnmediziners. „Hätte das doch noch mein Vater erlebt.“ Wie sie habe auch er unter der NS-Vergangenheit von Max Apffelstaedt gelitten. „Mein Vater wurde nach dem Krieg in Sippenhaft genommen, er durfte wegen seines Nachnamens nicht in Münster studieren“, berichtet Martina Apffelstaedt.
Henriette Son durfte nach 1933 nicht weiterstudieren
Ein Zitat des Cousins ihres Großvaters sei bis heute in der Verwandtschaft bekannt – und berüchtigt: Max Apffelstaedt habe einst klargestellt, dass es an seiner Klinik keine jüdischen Studierenden geben werde, so lange er lebt.
Nun wird die einstige Apffelstaedtstraße nach einer Jüdin benannt. Sie studierte an der Universität Münster Zahnmedizin, als dort auch Apffelstaedt wirkte – allerdings vor der Machtergreifung. Nach 1933 wurde Henriette Son zwangsexmatrikuliert, sie zog in die Niederlande, begann ihr Studium der Zahnmedizin erneut, arbeitete 1941 aber nur für ein Jahr als Zahnärztin. Dann fielen die Deutschen in die Niederlande ein. Die Jüdin tauchte unter.
1992 in Amsterdam gestorben
Ihr Schicksal stehe für das Schicksal so vieler Juden während des Dritten Reichs, so Bezirksbürgermeister Nathaus. Immerhin: Sie überlebte, allerdings in Armut bis zum Lebensende 1992 in Amsterdam.
Nun wird sie in Münster mit einem Straßennamen geehrt – anstelle eines Mannes, der eine solche Ehrung nie verdient hatte.
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